Unfallforscher und Versicherer vertreten eine klare Meinung: Moderne Fahrassistenten verhindern Unfälle und tragen zur Sicherheit im Straßenverkehr bei. Auch viele Verkehrsteilnehmende haben schon erfahren, dass durch ein aktives Assistenzsystem Unfälle abgewendet wurden. In Betrieben führen die Assistenzsysteme in neuen Flottenfahrzeugen aber immer wieder zu Diskussionen, die oft sehr emotional und pauschal geführt werden. Meist reduziert sich die Diskussion dann auf die Frage:
Fahrerassistenzsysteme – Fluch oder Segen?
Deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf diese immer komplexer werdende und zukunftsbestimmende Technik.
Viele Fahrende fühlen sich durch diese technischen Systeme bevormundet und in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Ähnliche Argumente begleiteten aber bereits die Einführung der Anschnallpflicht im Jahr 1976. Was damals für einen Aufschrei in der Nation sorgte, ist heute breit akzeptiert und als Sicherheitsfaktor in Fahrzeugen nicht mehr wegzudenken.
Fragt man genauer nach, wird schnell klar, warum solche Abwehrreaktionen immer wieder auftauchen.
Oft sind die Nutzer neuer Systeme durch Unkenntnis über deren Funktion und Wirkung verunsichert. Auch lassen sich über Jahre gefestigte Automatismen nicht so ohne Weiteres verändern. Das zeigt z. B. das häufig falsche Verhalten im Zusammenhang mit einem Notbremsassistenten. Durch konditionierte Abläufe während des Fahrens fällt es Vielen schwer, sich passiv zu verhalten und einem technischen System die Kontrolle zu überlassen. Daher greifen die Fahrenden häufig deutlich zu früh in einen automatisierten Bremsvorgang ein oder ignorieren den Assistenten gänzlich.
Kommen in einer Fahrzeugflotte neue Fahrassistenten zum Einsatz, sollten die Verantwortlichen durch Einweisungen und regelmäßige Unterweisungen dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeitenden über die Funktionsweise der Systeme umfassend informiert werden. Daneben bieten Fahrsicherheitstrainings mit den neuen Fahrzeugmodellen die Möglichkeit, praxisnahe Erfahrungen mit den Systemen zu sammeln.
Funktionsweise von Assistenzsystemen
Die Automobilhersteller arbeiten im Bereich Assistenzsystem mit teils sehr unterschiedlichen Lösungen. Gemeinsam haben jedoch alle Systeme eins: Sie benötigen jede Menge „Input“ von den Geschehnissen, die um das Fahrzeug herum stattfinden. Diese Informationen gewährleisten optimal platzierte Kameras, Ultraschallsensoren oder Radarsysteme mit unterschiedlichen Reichweiten und Überschneidungen. Die erfassten Signale werden in Steuerelementen zusammengetragen. So kann die Software über die Gefährlichkeit einer Verkehrssituation entscheiden und bei Bedarf eine erste Warnstufe aktivieren. Hierbei handelt es sich meist um ein akustisches oder visuelles Signal, welches den Fahrenden vor einer akuten Gefahr warnt. Erfolgt daraufhin keine Reaktion, ergreift der Assistent automatisch Gegenmaßnahmen, um dann bei weiterer Passivität des Fahrenden aktiv ins Geschehen einzugreifen.
Technische Grenzen der Assistenzsysteme
Wie bereits beschrieben, muss eine ständige Analyse von Inputs stattfinden, um die Funktion der technischen Assistenten zu gewährleisten. Fällt nur ein Baustein dieser Quellen, Sensoren oder Kameras aus, kann das System die Informationen nicht mehr korrekt verarbeiten. Wer schon einmal bei dichtem Schneefall oder Starkregen unterwegs war, kennt die zahlreichen Fehlermeldungen, die unsere Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Selbst moderne Computersysteme scheitern unter Umständen am Versuch, das komplexe Geschehen im Straßenverkehr zu überblicken und sichere Vorhersagen über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmenden zu treffen.
Deshalb ist es - wie oft im Leben – ratsam, einen guten Mittelweg für den Einsatz der Assistenzsysteme in Betracht zu ziehen. Das menschliche Gehirn mit seiner Fähigkeit der schnellen Analyse (beispielweise die Blickrichtung eines anderen Verkehrsteilnehmers zu erfassen) in Kombination mit den hilfreichen technischen Optionen von Fahrerassistenzsystemen, dürfte der beste Garant für eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr sein.
Verpflichtende Assistenzsysteme ab 2022
Die Europäische Union hat sich darauf geeinigt, einige Fahrassistenzsysteme verbindlich vorzuschreiben. Die neue Verordnung tritt am 06. Juli 2022 in Kraft und verpflichtet Automobilhersteller bestimmte Systeme grundsätzlich in neue Baureihen von PKWs und LKWs zu verbauen. Hierzu gehören unter anderem Müdigkeitswarner, Systeme zu Unfallaufzeichnungen sowie Spurhalte-, Notbrems- und Rückfahrwarnsysteme. Die EU-Kommission rechnet damit, dass so bis zum Jahr 2038 mehr als 25.000 Leben gerettet und etwa 140.000 schwere Verletzungen vermieden werden.
Spätestens ab Juli 2024 müssen die Systeme dann in allen neu zugelassenen PKWs serienmäßig verbaut sein.